Die Schwestern Fanny, Elizabeth und Mary Chapman (Ende 1860)

Fanny Chapman

Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau Margarethe verliebte sich Carl Schurz in Fanny Chapman. Er heiratete sie zwar nicht, doch dauerte die Beziehung bis zu seinem Tod 1906.
The loss of the wife of one’s youth is unlike any other bereavement. It is the loss of the best part of one’s live."
Carl Schurz, Brief an F. W. Bird, 13. April 1876
Carl Schurz als WitwerCarl Schurz als Witwer

Am 15. März 1876 starb Margarethe Schurz zehn Tage nach der Geburt ihres Sohnes Herbert. Carl Schurz war 47 Jahre alt und trug nun allein die Verantwortung für seine vier Kinder – die beiden großen Töchter Agathe und Marianne und die beiden kleinen Söhne Carl Lincoln und Herbert. Nach Angaben des Biografen Rudolf Geiger erhielt Schurz zunächst Hilfe von seiner Mutter, die ebenfalls verwitwet war und zu ihm nach St. Louis zog. Doch starb auch sie im Februar 1877.

Schurz bekämpfte die Trauer um seine Frau mit Arbeit: Er engagierte sich 1876 im Präsidentschaftswahlkampf für den Republikaner Rutherford B. Hayes, der ihn nach seinem Amtsantritt 1877 zum Innenminister ernannte. Nach dem Ende seiner Amtszeit zog Schurz nach New York und war bis Ende 1883 Chefredakteur der Evening Post. Seine ökonomische Lage war anschließend so schlecht, dass er die Kinder 1884 zu Margarethes Verwandten nach Hamburg schicken musste und erst Ende 1885 wieder nach New York zurückholen konnte, so Geiger. „Seine beiden Töchter Agathe und Marianne führten den gemeinsamen Haushalt und betreuten auch die viel jüngeren Geschwister, den vierzehnjährigen Carl und den neunjährigen Herbert.“

Fanny Chapman (1846 –1924)Fanny Chapman (1846 –1924)

“If my love makes you truly happy, dearest, then you will have as much of it as this old heart is capable of giving.”

 

Carl Schurz, Brief an Fanny Chapman, 11. Juli 1880

 

 

In seiner Zeit als Innenminister lernte Carl Schurz 1879 in Washington Fanny Chapman kennen und verliebte sich in sie. Die Tochter des Juristen und Politikers Henry Chapman aus Doylestown in Pennsylvania war damals 33 Jahre alt. „Ich war arm und bin wieder reich“, zitiert Geiger aus einem Brief von Schurz an seine Geliebte. 

 

Über Fanny Chapman und die Liebesgeschichte der beiden, die bis zu Schurz‘ Tod andauerte, ist nicht allzu viel bekannt. Zu den wichtigsten Quellen zählen die Briefe von Carl Schurz an Fanny Chapman, von denen allerdings nur wenige erhalten sind. Die Universitäts- und Landesbibliothek Münster ersteigerte 1950 bei einer Auktion 95 dieser Briefe, die sie vor einigen Jahren digitalisierte und im Internet zugänglich machte.

 

In einem begleitenden Artikel trug Birgit Heitfeld-Rydzik von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster die verhältnismäßig wenig verfügbaren Informationen über Fanny Chapman zusammen. Demnach begleitete sie ab ihrem 19. Lebensjahr ihre älteste Stiefschwester Elizabeth Chapman Lawrence auf ausgedehnten Reisen u. a. durch Europa. „Wenn sie nicht auf Reisen war, lebte Fanny in einem Haus in Doylestown, PA. Ortsansässige sollen sich über die Ehelosigkeit der hübschen Frau gewundert haben. Niemand vermutete eine Beziehung zum prominenten Carl Schurz.“

Das Paar schrieb sich überwiegend auf Deutsch, denn Chapman lernte Schurz zuliebe sehr schnell dessen Muttersprache, so Rudolf Geiger. Der Schurz-Biograf merkt außerdem an: „Anders als seine Briefe an Margarethe, in denen er nie versäumt hatte, ausführlich über seine politischen Kämpfe zu berichten und seine Erfolge hervorzuheben, wirkt diese Korrespondenz eher abgeklärt und oft melancholisch.“

 

Laut Birgit Heitfeld-Rydzik vermachte Fanny Chapman ein Konvolut von ca. 1700 Briefen einer Nichte oder Großnichte in Deutschland. Der Großteil davon gilt jedoch seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Leider existieren auch die Briefe von Fanny Chapman an ihren Geliebten nicht mehr. „Es wird vermutet, dass Agathe als Nachlassverwalterin nach dem Tod ihres Vaters Fanny Chapmans Briefe an Carl Schurz vernichtet hat“, so Heitfeld-Rydzik.

Familiäre RücksichtenFamiliäre Rücksichten

Agathe, die älteste Tochter von Carl Schurz, missbilligte die Liebesgeschichte ihres Vaters und war nach Ansicht der Biografen der Grund dafür, dass dieser Fanny Chapman nicht heiratete. „Die unverheiratete Agathe Schurz führte ihrem Vater den Haushalt“, schreibt Birgit Heitfeld-Rydzik: „In ihrem Fall beinhaltete das jedoch wesentlich mehr als reine Haushaltsfragen und die Betreuung ihrer jüngeren Geschwister. Als ‚Dame des Hauses‘ empfing sie prominente Zeitgenossen und hatte durch ihren Vater weitreichende Kontakte zu Politikern und Angehörigen der High Society bis hin zu Einladungen in das Weiße Haus.“ 

Carl Schurz und seine Tochter Agathe Schurz, ohne Datum, evtl. am Lake George?

Carl Schurz und seine Tochter Agathe Schurz, vermutlich am Lake George

Digitalisat aus dem Greven Archiv Digital, Carl Schurz Archiv CSK_2412

Womöglich fürchtete sie um ihre Stellung, den guten Ruf ihres Vaters oder das Andenken ihrer verstorbenen Mutter, mutmaßt die Autorin. Rudolf Geiger stellt fest: „Agathe war wohl unverheiratet geblieben, um ihm den Haushalt führen zu können. Sie war nur um wenige Jahre jünger als seine Freundin.“ Auch der Schurz-Biograf Hans L. Trefousse vermutet, dass Agathe „eifersüchtig auf eine so junge Nebenbuhlerin war, die nur sieben Jahr älter als sie war“. Außerdem habe Carl Schurz auf die Hamburger Familie seiner verstorbenen Frau Rücksicht nehmen müssen, auf die er immer noch teilweise finanziell angewiesen war.

"Frühstückstisch bei Schurz's", März 1892

Familie Schurz 1892 am Frühstückstisch (von links): Carl Lincoln, Marianne, Carl, Agathe Schurz sowie Großnichte Julie Morath. Die Aufnahme machte Sohn Herbert Schurz

Digitalisat aus dem Greven Archiv Digital, Carl Schurz Archiv CSK_2431

Nach dem Tod ihres Vaters 1906 verwaltete Agathe dessen Nachlass. Sie machte sich um die Veröffentlichung seiner zweibändigen Lebenserinnerungen verdient und stellte einen dritten Band zusammen, der hauptsächlich Briefe enthält. Auch an der sechsbändigen Ausgabe von Speeches, Correspondence and Political Papers of Carl Schurz, die 1913 erschien, war sie beteiligt. Dementsprechend nahm Agathe sehr stark Einfluss darauf, welche Dokumente und welches Bild ihres Vaters der Nachwelt überliefert wurden. Seine gut zwanzigjährige Beziehung zu Fanny Chapman verschwieg sie schlicht: „Fanny’s name does not appear in any publication over which Agathe had control“, stellte der US-Historiker William E. Petig fest.

 

An Fanny Chapman erinnert heute noch ein Schwimmbad in Doylestown. Es wurde 1927 von ihrem Neffen William Mercer gestiftet. In Erinnerung an seine drei Jahre zuvor gestorbene Lieblingstante nannte er es „Fanny Chapman Memorial Pool“.