Carl Schurz als Journalist und Publizist
Journalistische und publizistische Tätigkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben von Carl Schurz – von Zeitungsartikeln im Revolutionsjahr 1848 bis zur Niederschrift seiner Memoiren, die leider unvollendet blieben.Inhalt
Die journalistische Laufbahn von Carl Schurz begann bereits während seines Studiums in Bonn: Als im Revolutionsjahr 1848 die Bonner Zeitung gegründet wurde, übernahm Gottfried Kinkel deren Redaktion. Der 19-jährige Schurz fungierte als „regelmäßiger Mitredakteur“, der „täglich einen oder mehrere Artikel zu liefern hatte“, wie er in seinen Erinnerungen schreibt. Dabei reichte das Spektrum von politischen Artikeln bis hin zu Theaterkritiken.
Nachdem er 1849 in die Schweiz geflohen war, schrieb er gelegentlich Artikel für die Westdeutsche Zeitung, die sein Freund Hermann Becker in Köln herausgab.
In den gut fünf Jahrzehnten, die Carl Schurz in den USA lebte, war er immer wieder für verschiedene Zeitungen tätig – als Autor, Redakteur und Teilhaber. Sein erstes Projekt war die Gründung der Volkszeitung in Watertown im September 1857. „Ihr Motto war typisch für Schurz: ‚Unabhängig, aber nicht neutral‘“, schreibt der Historiker Daniel Göske, der Herausgeber von Schurz‘ Lebenserinnerungen. Das Blatt diente hauptsächlich der Unterstützung der Republikanischen Partei, wurde aber schon bald eingestellt.
1865 erhielt Carl Schurz das Angebot, als Washington-Korrespondent für die New York Tribune zu arbeiten. Er verpflichtete sich aber nur für die laufende Sitzungsperiode des Kongresses. Laut Göske waren die Gründe, dass er „keine geeignete Wohnung fand, seine Frau nicht umziehen wollte und er zur Aufbesserung seiner Finanzen eine erneute Vortragsreise machte“.
„Vorläufig muß ich freilich schaffen wie zehn Pferde, die morgens früh eingespannt und gegen Mitternacht erst wieder ausgespannt werden.“
Carl Schurz, Brief an Heinrich Meyer, 10. Juni 1866
Schurz blieb dem Journalismus jedoch treu und übernahm 1866 die Chefredaktion der neugegründeten Detroit Post. Seinem Schwager schrieb er, er müsse „schaffen wie zehn Pferde“, verspreche sich davon aber „eine solide und mit der Zeit reichliche Existenz“. Weil die Stadt Detroit mit dem Häuserbauen nicht nachkomme, müsse die Familie vorläufig im Hotel leben, Margarethe habe sich deshalb mit den Kindern nach Watertown zurückgezogen.
Im März 1867 erhielt Carl Schurz ein attraktives Angebot der Westlichen Post aus St. Louis: „Es handelt sich um nichts Geringeres, als für mich die Hälfte des Zeitungsgeschäfts in St. Louis zu kaufen und mir die Kaufsumme so vorzuschießen, daß ich sie aus dem Geschäft heraus in drei Jahren zurückzahlen kann“, schrieb er an Margarethe. Im April schloss er den Vertrag mit der Westlichen Post ab, die Familie zog allerdings nicht mit nach St. Louis um. Margarethe reiste vielmehr im Sommer mit den beiden Töchtern nach Europa und blieb dort zwei Jahre.
Die Westliche Post wurde von Emil Preetorius geleitet, einem 1848er-Revolutionär aus Alzey in Rheinhessen. Er baute das Blatt zur zweitgrößten deutschsprachigen Zeitung in Amerika aus. Als Redakteur und Miteigentümer hatte Carl Schurz alle Hände voll zu tun und war offenbar ein strenger Chef. Am 16. Juli 1867 berichtete er Margarethe: „Du wirst lachen, wenn Du hörst, daß ich mit all meiner Gutmüthigkeit hier als ‚böser Mann‘ gelte, aber es ist in der That so. Ich bin der einzige, der unseren Leuten, wenn sie ihre Pflicht nicht thun‘ was leider nicht sehr selten vorkommt, dann und wann energisch den Kopf wäscht, und so heißt es denn, daß es auf der Office der ‚Westlichen Post‘ gar nicht mehr gemüthlich ist, seit ich eingetreten bin.“
In einem Brief an Margarethe vom 4. September 1867 ging er auf seine journalistische Tätigkeit ein: „Die Arbeit behagt mir in allen Beziehungen mit Ausnahme von einer: man zersplittert die besten Ideen, die man hat, in einer Menge von Artikeln, aber man verarbeitet sie nicht im Zusammenhange. Versuchte man das, so würde man Dinge liefern, die ihrer Länge wegen nicht mehr in die Zeitungen paßten.“
„In der Journalistik muß man sich mit hundert Dingen beschäftigen, die verhältnismäßig Kleinigkeiten sind.“
Carl Schurz, Brief an Margarethe, 4. September 1867
Schurz vermisste das „große Tableaux“, das er in seinen Reden ausbreiten konnte. Stattdessen müsse er sich mit hundert Kleinigkeiten beschäftigen, klagte er seiner Frau: „Diese Kleinigkeiten füllen die ganze Zeit aus, in der man zu intensiver Arbeit fähig ist, und lassen Einen, wenn man das Tagewerk vollendet hat, erschöpft und ruhebedürftig.“
Als Redakteur entdeckte Schurz jedoch nicht zuletzt das journalistische Talent von Joseph Pulitzer, einem jungen Einwanderer aus Ungarn, der später ein berühmter Journalist und Zeitungsverleger werden sollte. Die Westliche Post veröffentlichte Pulitzers ersten Text und stellte ihn 1868 als Reporter an. Schurz brachte ihm das journalistische Handwerk bei.
Auch während seiner Zeit als Senator und als Innenminister blieb Schurz der Westlichen Post treu. Er habe sich erst 1881 bei seinem Umzug nach New York aus der Leitung zurückgezogen, sei dem Blatt aber bis zu seinem Tod verbunden geblieben, so der Historiker Daniel Göske.
Als Henry Willard, der Mehrheitseigner der Evening Post in New York, Schurz den Posten des Chefredakteurs anbot, willigte dieser ein. Ex-Präsident Rutherford B. Hayes wollte daraufhin umgehend ein Abonnement der Zeitung: „Is it true you are editing the Evening Post?“, schrieb er am 1. Juni 1881 an Schurz. „I must see what you write. If true, Mrs. Hayes will not forgive me if she loses anything you write.”
Schurz verfasste in der Evening Post und deren wöchentlicher Ausgabe The Nation Leitartikel zu allen möglichen innenpolitischen Themen – nicht zuletzt solchen, die ihn als Innenminister beschäftigt hatten. Interessant seien aber auch seine außenpolitischen Kommentare, stellt der Biograf Rudolf Geiger fest: „So schrieb er über die außerordentlichen Machtbefugnisse Bismarcks und geißelte die deutschen Sozialistengesetze. Er berichtete über antisemitische Ausschreitungen in Ungarn und nahm Stellung gegen weltweite Auswüchse der Bigotterie.“ Schurz‘ Nachruf auf seinen Freund Gottfried Kinkel bezeichnete der US-Historiker Allan Nevins als „a striking bit of reminiscence“.
Doch gab es immer häufiger Auseinandersetzungen mit dem konservativen Redaktionskollegen Edwin L. Godkin. „Schließlich mündeten die sachlichen Meinungsunterschiede in eine persönliche Abneigung gegeneinander, die sich noch dadurch verstärkte, dass Godkin Schurz die Schuld am Rückgang der verkauften Auflage zuschob“, schreibt Geiger. Ende 1883 schied Schurz aus der Redaktion aus.
Von 1892 bis 1898 bot Harper’s Weekly Carl Schurz noch einmal eine Bühne, um seine politischen Ansichten zu verbreiten. Ausgerechnet jene Zeitschrift, die in den 1870er-Jahren die Karikaturen von Thomas Nast abgedruckt hatte, in denen dieser Schurz‘ Wirken als Senator und Innenminister scharf kritisiert hatte. Damals hatte Nast dem Blatt Erfolg gebracht, jetzt sorgten die wöchentlichen Leitartikel von Schurz für Beachtung. Darin widmete er sich Anliegen, die ihn zeitlebens beschäftigten (wie z. B. Patriotismus, die Reform des öffentlichen Dienstes oder Naturschutz), bezog aber auch Stellung zum Frauenwahlrecht, zur Einwanderungspolitik oder zu den imperialistischen Bestrebungen der USA.
„My object was, not to verify the correctness of preconceived notions, but to gain, by impartial investigation, a true view of things.”
Carl Schurz im Vorwort zu The New South, 1885
In den 1880er-Jahren nahm Carl Schurz verschiedene publizistische Projekte in Angriff. Im Mai 1885 erschien The New South, eine Broschüre über den Süden der USA. Schurz griff damit ein Thema auf, das ihn bereits 20 Jahre zuvor beschäftigt hatte: 1865 hatte er auf Bitten des damaligen Präsidenten Andrew Johnson die Südstaaten besucht und unter dem Titel Report on the Condition of the South einen Bericht über die Lage vor Ort verfasst. Für seine neue Publikation war er im Winter 1884/85 erneut durch den Süden des Landes gereist, um die Lage unvoreingenommen zu untersuchen und wahrheitsgetreu darzustellen, wie er im Vorwort schreibt.
1887 veröffentlichte Schurz eine zweibändige Biografie des einflussreichen US-Politikers Henry Clay (1777–1852), der Senator und Außenminister war. Schurz habe dieses Werk als Vorarbeit zu einer Geschichte der USA angesehen, schreibt Walter Keßler, doch hätten andere journalistische und schriftstellerische Arbeiten diesen Plan verhindert.
„Sympathy was the strongest element in his nature.”
Carl Schurz über Abraham Lincoln, 1891
Im Juni 1891 rezensierte Carl Schurz im Atlantic Monthly eine mehrbändige Biografie Abraham Lincolns, die John G. Nicolay und John Hay verfasst hatten. Die Besprechung geriet zu einer umfassenden Würdigung Lincolns, der ein Freund und politischer Weggefährte von Carl Schurz war. Sie stieß auf so großes Echo, dass er sie in überarbeiteter Form unter dem Titel Abraham Lincoln. An Essay als Buch veröffentlichte.
Schurz habe Lincoln damit ein „allgemein bewundertes Denkmal“ gesetzt, schreibt Rudolf Geiger. Der Reiz seines Essays habe darin bestanden, dass er „aus eigenem Erleben Lincolns Persönlichkeit charakterisierte und den Ursachen der Faszination nachging, die er – nach seinem Tode noch stärker als zu seinen Lebzeiten – auf andere Menschen ausübte“.
„Es war auf den dringenden Wunsch meiner Kinder, daß ich vor mehreren Jahren diese Erinnerungen niederzuschreiben begann.“
Carl Schurz im Vorwort seiner Lebenserinnerungen, 1905
Ende der 1880er-Jahre begann Carl Schurz damit, seine Memoiren zu schreiben. Das Projekt sollte sich über viele Jahre hinziehen. Der erste Band, den er auf Deutsch verfasste, schildert sein Leben bis zur Auswanderung in die USA 1852. Den zweiten Band schrieb Schurz auf Englisch. Er beginnt mit der Ankunft in den USA und schließt mit seiner Vereidigung als Senator 1869.
Einen geplanten weiteren Band über die Zeit danach konnte Schurz nicht mehr vollenden. Er starb am 14. Mai 1906. Die beiden ersten Bände erschienen posthum unter dem Titel Lebenserinnerungen 1906/07 in Berlin. Seit 2015 liegt eine Neuausgabe vor, herausgegeben von Daniel Göske.
Ein dritter Band, der Briefe und eine von Frederic Bancroft und William A. Dunning verfasste Darstellung von Schurz‘ Leben und politischem Wirken von 1869 bis zu seinem Tod enthält, wurde 1912 veröffentlicht.