Margarethe Meyer Schurz
Margarethe Meyer heiratete Carl Schurz 1852 in London und wanderte mit ihm in die USA aus. Dort gründete sie den ersten Kindergarten des Landes. Sie starb im Alter von 42 Jahren nach der Geburt ihres fünften Kindes.Margarethe Meyer stammte aus einer Hamburger Unternehmerfamilie. Ihr Vater Heinrich Christian Meyer besaß eine Fabrik für Spazierstöcke und galt als der erste Großindustrielle der Hansestadt. Ihre Mutter Agathe Margarethe starb bei der Geburt von Margarethe am 27. August 1833. Weil auch der Vater starb, als Margarethe 15 war, übernahm ihr ältester Bruder Heinrich Adolph Meyer die Vormundschaft für sie.
Margarethe wuchs in der Obhut ihrer älteren Geschwister und einer Tante auf. Als Jugendliche besuchte sie Kurse des Pädagogen Friedrich Fröbel, der 1840 in Thüringen den ersten Kindergarten gegründet hatte. Er vertrat die Idee, dass Kinder natürlich wie Pflanzen aufwachsen sollten, und entwickelte Spielmaterial, um dies zu unterstützen. Als 1850 in Hamburg die „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ gegründet wurde, eine Ausbildungsstätte für Erzieherinnen und Lehrerinnen, gehörte Margarethe zu den ersten Schülerinnen.
Im Herbst 1851 besuchte Margarethe ihre ältere Schwester Bertha, die mit ihrem Mann Johannes Ronge in London im Exil lebte. Im Ronge’schen Haus lernte sie Carl Schurz kennen, der die Liebesgeschichte in seinen Memoiren äußerst knapp zusammengefasst hat: „Ein Mädchen von etwa 18 Jahren trat herein, von stattlichem Wuchs mit schwarzem Lockenkopf, kindlich schönen Zügen und großen dunklen wahrhaftigen Augen. Wir wurden in der Tat miteinander sehr gut bekannt – freilich nicht an jenem Tage – aber bald nachher; und am 6. Juli 1852 wurden wir in der Pfarrkirche von Marylebone in London fürs Leben vereinigt."
Schurz erwähnt nicht, dass er zunächst bei Heinrich Adolph Meyer um die Hand Margarethes anhalten musste. Dieser war nicht begeistert, dass seine Schwester einen völlig mittellosen Revolutionär heiraten wollte, willigte aber schließlich ein.
Dass die Fabrikantentochter eine gute Partie war, verschweigt Schurz ebenfalls. Während der ersten Jahre in den USA lebte das Ehepaar überwiegend von Margarethes Erbe. In Briefen von Schurz an seinen Schwager ist häufig von Geschäftsideen die Rede. Doch waren diese durchweg glücklos. Umso stolzer ist er später auf seine politischen Erfolge. Im November 1858 berichtete er seinem Freund Friedrich Althaus, Margarethe schneide alle Zeitungsartikel über ihn aus: „Diese Sammlungen werden dann nach Hamburg geschickt, um ihren Brüdern einen Begriff von ihrem Manne beizubringen.“
„Wegbereiterin des Kindergartens in den USA“ lautet der Untertitel einer Biografie, die Gerd Stolz über Margarethe Meyer Schurz verfasst hat. Denn tatsächlich brachte sie die Idee des Kindergartens gemäß der Prinzipien von Friedrich Fröbel nach Amerika.
Margarethe hatte am 3. Mai 1853 in Philadelphia ihre Tochter Agathe geboren, gut drei Jahre später war die Kleinfamilie nach Watertown in Wisconsin gezogen. Dort richtete Margarethe im Herbst 1856 bei sich zu Hause den ersten Kindergarten in den USA ein. Zunächst betreute sie nur ihre inzwischen dreijährige Tochter und vier Mädchen aus der Verwandtschaft. Doch bald zeigten weitere Eltern Interesse, die Gruppe wuchs, und der Kindergarten zog in ein kleines Holzhaus in Watertown.
Zum Konzept der „neuen Erziehung“ zählten „kleine Lieder, gemeinsamer Gesang, kleine Verse, Spiele und andere Beschäftigungen“, so Stolz. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Marianne im März 1857 half eine Nachbarstochter Margarethe Schurz bei der Betreuung der Kindergruppe.
Aufgrund der beruflichen Aktivitäten von Carl Schurz verlagerte die Familie 1858 ihren Hauptwohnsitz nach Milwaukee und lebte nur noch im Sommer in Watertown. Der Kindergarten wurde laut Gerd Stolz zunächst von Carls Cousine und später von anderen Frauen weitergeführt. 1915 musste die private deutschsprachige Einrichtung schließen, weil in den USA nach Beginn des Ersten Weltkriegs Vorbehalte gegen die deutsche Sprache zunahmen, so der US-Historiker William E. Petig.
„Das Samenkorn, das sie (…) gelegt hat, ging schnell zu reicher Frucht auf. Innerhalb von drei Jahrzehnten gehörte der Kindergarten zum Erziehungs- und Bildungssystem in den USA.“
Gerd Stolz über Margarethe Schurz
Die Kindergarten-Idee wurde in den USA letztlich von anderen Frauen, wie zum Beispiel Elizabeth Palmer Peabody, verbreitet. Margarethe Schurz sei nach jenen Monaten in Watertown nicht wieder für den Froebel‘schen Kindergarten-Gedanken in den USA aktiv geworden, schreibt Stolz, doch habe sie „das Samenkorn“ gelegt, das „schnell zu reicher Frucht“ aufging.
Das Holzhaus, in dem sich der erste Kindergarten befand, wurde 1956, zum 100-jährigen Jubiläum der Gründung, umgesetzt, renoviert und als Museum eingerichtet. Eine Tafel an der Außenwand erinnert an Margarethe Meyer Schurz.
„Meine Frau, die liebenswürdigste und anmutigste Wirtin, machte unser Haus zu einer Art geselligen Mittelpunkts für den großen Kreis unserer Verwandten und für eine Anzahl unterhaltender Menschen, die wir um uns versammelt hatten.“
Carl Schurz über die Jahre in Watertown
In seinen Lebenserinnerungen hat Carl Schurz den Kindergarten nicht erwähnt und nur an wenigen Stellen über seine Frau berichtet. Er sei glücklich gewesen, dass Margarethe, „die in so ganz anderer Umgebung aufgewachsen war, sich nicht nur diesen Verhältnissen anpaßte, sondern sich mit heiterster Laune darein fand“, schreibt er über die Zeit in Watertown. Als „liebenswürdigste und anmutigste Wirtin“ habe sie das Haus zu einem geselligen Treffpunkt gemacht.
Aufschlussreicher sind die Briefe an seine Frau, die im dritten Band der Lebenserinnerungen abgedruckt sind, der erst nach seinem Tod erschien. Gerd Stolz hat darauf hingewiesen, dass der Briefwechsel zwischen den Ehegatten mehr als 1000 Briefe umfasst – die meisten davon unveröffentlicht. Und der Historiker Petig hat festgestellt, dass aufgrund der schlechten Quellenlage viele Artikel und Bücher über Margarethe Schurz Fehler enthalten.
Die ungeheure Zahl an Briefen macht deutlich, dass das Ehepaar häufig getrennt war. Als Vortragsreisender und als Wahlkämpfer für die Republikaner war Carl Schurz oft wochenlang unterwegs. Besonders extrem war dies 1860 während des Präsidentschaftswahlkampfs für Abraham Lincoln. Seine Briefe an Margarethe aus diesem Jahr lassen tief blicken.
25. März: „Wirst Du mir böse sein, wenn ich dieser guten und großen Sache einige Tage Arbeit widme? (…) Würdest Du nicht auch stolz sein, wenn (…) Du Dir sagen könntest: ‚Auch ich habe an diesem großen Resultat meinen Teil, ich habe ihn mit meiner Entbehrung erkauft?‘ Das ist die Weise, in der auch die Frauen, selbst in der bescheidensten Sphäre, das ihrige zum Siege großer Prinzipien beitragen können.“
17. September: „Sei ruhig, dieser Kampf geht auch einmal vorüber und wir werden ruhige Jahre haben, Jahre wie einst, des ruhigen kindlichen Genusses.“
3. November: „Noch zwei Arbeitstage, und der Kampf ist vorbei. Hosianna! Ich werde dann wieder denken können und werde mich wieder besinnen können, daß ich nicht dem großen Kreise allein angehöre. Ich werde sofort meine Lecture-Appointments in Ordnung bringen und, sobald es geht, zu Dir eilen.“
7. November (nach dem Wahlsieg Lincolns): „Dieser Sieg gehört auch Dir, und ich habe seinen Genuß nicht von dem Gedanken an Dich trennen können. Jetzt, jetzt ist die schwere Zeit vorbei. Liebe, Ruhe, Familie, Glück! Die Zukunft droht mit keiner Trennung mehr.“
Nichts hätte falscher sein können. Anfang Dezember ist Schurz schon wieder auf Vortragsreise. Am 17. Dezember schreibt er: „Es macht mich traurig, daß ich am Weihnachtsabend nicht bei Dir sein kann. Aber was hilft’s. Es wird noch einmal die Zeit kommen, wo es keine derartigen Notwendigkeiten mehr für uns gibt.“ Und eine Woche später schließlich: „Meine Liebste, Es ist Weihnachtsabend, und ich sitze hier einsam und allein mit meinen Gedanken.“
Die folgenden Jahre waren mitnichten beständiger. Der Wohnsitz der Familie war mal in Milwaukee, mal in Bethlehem (Pennsylvania), mal in Philadelphia, mal in Detroit, mal in Washington, mal in New York – je nachdem, wo Carl Schurz gerade hauptsächlich tätig war. Auch Watertown war noch einige Jahre lang ein Anlaufpunkt. Doch als Schurz die Hypotheken nicht mehr bedienen konnte, die auf seiner Farm lasteten, wurde sie im März 1867 zwangsversteigert, so der Historiker William E. Petig.
Die Schurz-Biografen erwähnen, dass Margarethe Schurz sich gegen einige Ortswechsel wehrte. So folgte sie ihrem Mann nicht nach Madrid, als dieser US-Botschafter in Spanien wurde. Auch St. Louis, wo Schurz für die Westliche Post arbeitete, kam für sie nicht infrage, weil es so weit im Landesinneren lag und ihr auch das Klima dort nicht zusagte. Sie „weigerte sich beharrlich, nahezu störrisch, ihm in jene Stadt zu folgen“, schreibt Gerd Stolz.
„Trotz aller Kämpfe und Entbehrungen, ich habe immer versucht nicht allein an mich zu denken, sondern ihn so viel es ging ungebunden und frei seinen Weg gehen zu lassen!“
Margarethe Schurz in einem Brief an eine Verwandte, Januar 1869
Es ist zu vermuten, dass sie die „Entbehrungen“ zum „Siege großer Prinzipien“, die Carl Schurz von seiner Frau offenbar erwartete, nicht klaglos hinnahm und unter dem unsteten Leben litt. Der Schurz-Biograf Rudolf Geiger zitiert einen Brief von Margarethe, den sie 1869 an eine Verwandte schrieb: „O! wenn ich Dir erzählen würde wie diese ersten Trennungen nach einem Jahr des ruhigen Glücks, mit ein paar Tagen der Trennung anfing, wie dann allmählich oft Wochen daraus wurden und dann Monate! Ich litt jedesmal so unbeschreiblich, daß selbst die Ärzte sagten, diese tiefen Gemüths-Aufregungen dürften sich nicht oft wiederholen!“ Doch habe sie trotz allem versucht, ihren Mann „ungebunden und frei seinen Weg gehen zu lassen“.
Doch hatte auch Margarethe ihren Anteil daran, dass das Paar über Wochen, Monate, ja sogar Jahre eine Fernbeziehung führte. Denn sie reiste fünfmal für längere Zeit nach Europa und verbrachte dort „insgesamt vier Jahre“, wie Daniel Göske, der Herausgeber der Lebenserinnerungen, nachgerechnet hat. Sie lebte bei ihrer Familie in Hamburg, besuchte England, hielt sich in der Schweiz auf und wohnte zwei Jahre lang in Wiesbaden, wo ihre beiden ältesten Töchter auch zur Schule gingen.
Carl Schurz besuchte seine Familie zwar immer wieder, wenn diese sich in Europa aufhielt, nach Deutschland konnte er jedoch zunächst nicht, weil er aufgrund seiner revolutionären Aktivitäten steckbrieflich gesucht wurde. Aufgrund seiner Verpflichtungen in den USA waren seine Europaaufenthalte auch eher kurz.
„Wenn der Arzt es für dich entschieden wünschenswerth findet, Deiner Gesundheit wegen, daß Du noch den ganzen Winter über dort bleibst, so ergebe ich mich auch daran. Das weißt Du.“
Carl Schurz, Brief an Margarethe, 9. August 1868
Die Europareisen sollten Margarethes Gesundheit dienen, denn sie war häufig krank. Bereits im Januar 1855 schrieb Carl Schurz an seinen Freund Gottfried Kinkel: „Die einzigen Schattenseiten unsres hiesigen Lebens bestehen darin, daß meine Frau oft leidend ist und daß, wie mir scheint, die dem hiesigen Clima eigentümlichen schroffen Temperaturwechsel ihre Gesundheit nachteilig afficieren. Ich hoffe, daß unsre Reise, in dieser Beziehung Manches wieder gut machen wird.“
Wenig später berichtete er über eine „gefährliche Lungenkrankheit“ Margarethes. Doch die anschließende Wasserkur im englischen Malvern führte ebenso wenig zu ihrer gesundheitlichen Stabilisierung wie alle anderen europäischen Kuraufenthalte in den folgenden zwei Jahrzehnten.
Die Schurz-Biografen sind sich darin einig, dass die schon immer kränkliche Margarethe Schurz wohl auch unter Heimweh und Depressionen litt. Die Ärzte hätten die Ursache ihres chronischen Leidens und ihre Depressionen nicht erklären können, schreibt Geiger. Stolz mutmaßt, ihr „Sträuben, Amerika als neue Heimat anzunehmen“, könne einer der Gründe für ihr häufiges Kranksein gewesen sein.
Hinzu kam, dass ihre Schwangerschaften und Geburten nicht einfach waren. Gerd Stolz zitiert aus einem Brief Margarethes nach der Geburt von Agathe, in dem sie schreibt, der Arzt und die Hebamme hätten „ein sehr schlechtes Ende“ erwartet. Der Historiker Petig erwähnt, dass Margarethe bei der Geburt der zweiten Tochter Marianne fast verblutet sei. Vor der Geburt der dritten Tochter Emilie Savannah wurde sie, laut Geiger, von Todesahnungen heimgesucht.
Der schwerste Schlag war zweifellos, dass Emilie Savannah im März 1867 im Alter von zwei Jahren und drei Monaten starb. Am 27. Juni schrieb Carl Schurz an seinen Freund Theodor Petrasch, seine Frau sei seit dem Tod der Tochter sehr kränklich und unruhig. Helfen könne nur eine Europareise von einigen Monaten oder möglicherweise einem Jahr.
Es wurden dann zwei Jahre. Margarethe nahm deshalb auch nicht an Carls größtem Triumph teil: seiner Vereidigung als Senator in Washington im März 1869.
Nach einer weiteren problematischen Schwangerschaft kam im Februar 1871 ihr Sohn Carl Lincoln zur Welt. Es folgten zwei weitere lange Europareisen aus gesundheitlichen Gründen. Am 5. März 1876 wurde in New York ihr Sohn Herbert geboren. Zehn Tage später starb Margarethe Schurz an Kindbettfieber. Sie wurde 42 Jahre alt.
Nach einer Trauerfeier in New York wurde sie nach Hamburg überführt. Ihr Grab ist nicht erhalten, aber im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof erinnert ein Stein an Margarethe Meyer Schurz.