Porträt von Schurz und Kinkel, kurz nach der Befreiung 1850

Zeitgenossen von Carl Schurz

Wie Carl Schurz gingen viele 1848er-Revolutionäre ins Exil – in andere europäische Länder oder in die USA. Stellvertretend für die unzähligen Zeitgenossen und Weggefährten von Carl Schurz werden hier sechs vorgestellt.
Lebenswege der 1848erLebenswege der 1848er

Die Revolutionäre von 1848/49 bezahlten für ihr politisches Engagement in vielen Fällen einen hohen Preis – sie führten nach der Niederschlagung der Revolution ein Leben in Armut, starben einen frühen Tod oder mussten ins Exil gehen. Von den rheinländischen Protagonisten blieben nur wenige im Land, wie etwa der Kölner Armenarzt Andreas Gottschalk oder der Publizist und spätere Politiker Hermann Becker. Einige trafen sich in London wieder, andere in den USA. Dort wurden sie unter der Bezeichnung „Forty-Eighters“ bekannt.

 

 

„Die 48er (…) waren meistens begeisterte, feurige junge Menschen, erfüllt von den reinen Idealen, die in der alten Welt zu verwirklichen ihnen nicht gelungen war und die nun hier Gestalt gewinnen sollten.“

 

Carl Schurz

 

 

Sehr viele „Forty-Eighters“ ließen sich in Milwaukee (Wisconsin) nieder. Über seinen ersten Besuch der Stadt 1854 schrieb Carl Schurz später, die 48er hätten „etwas wie eine Flut von Frühlingssonnenschein“ mitgebracht: „Sie waren bereit, irgend eine Tätigkeit zu ergreifen, zu der sie fähig waren und voller Eifer nicht nur diese Tätigkeit einträglich zu machen, sondern auch das Leben heiter und schön zu gestalten.“ Schurz zeigte sich nicht zuletzt begeistert über die vielfältigen Aktivitäten des Musikvereins und des Turnvereins von Milwaukee.

 

Die starke Präsenz von Deutschstämmigen war ein wichtiger Grund für ihn, sich zunächst in Wisconsin anzusiedeln. Sie spielte auch später bei seiner Entscheidung für St. Louis eine Rolle, wo es ebenfalls eine große Community deutscher Einwanderer gab.

Laut der Historikerin Heike Bungert wanderten zwischen 1848 und 1860 vier- bis zehntausend „Forty-Eighters“ in die USA aus. Wie Schurz engagierten sich viele der einstigen Revolutionäre im Kampf gegen die Sklaverei und nahmen aufseiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg teil.

Gottfried Kinkel (1815–1882)Gottfried Kinkel (1815–1882)

„Er besaß in hohem Maße die heitere Ungebundenheit des Rheinländers. Er liebte es, den Professor beiseite zu legen und im Familien- und Freundeskreise sich in zwangloser Fröhlichkeit gehen zu lassen.“

 

Carl Schurz über Gottfried Kinkel

 

 

Gottfried Kinkel war an der Bonner Universität Professor für Kunst- und Literaturgeschichte, als Carl Schurz dort 1847 sein Studium aufnahm. Kinkel lud seinen Studenten schon bald zu sich nach Hause ein, und es entwickelte sich eine Freundschaft zum Ehepaar Kinkel, die über Jahrzehnte andauern sollte.

Zunächst verbanden revolutionäre Aktivitäten in Bonn den Professor und seinen Studenten. 1849 schlossen sie sich gemeinsam den Aufständischen in der Pfalz und in Baden an. Kinkel wurde bei den Kämpfen von den Preußen gefangen genommen, während Schurz die Flucht gelang. Was die beiden endgültig zusammenschweißte, war die geglückte Befreiung Kinkels aus dem Spandauer Zuchthaus. 

"Gottfried Kinkel, deutscher Dichter und preußischer Straefling", Porträt von Gottfried Kinkel im Gefängnis

Porträt von Gottfried Kinkel im Gefängnis: "Gottfried Kinkel, deutscher Dichter und preußischer Straefling"

Digitalisat aus dem Greven Archiv Digital, Carl Schurz Archiv CSK_1912

Schurz wählte das Bild, das ihn und Kinkel nach der Befreiung zeigt, als Frontispiz für den ersten Band seiner Lebenserinnerungen. Im Vorwort zur Neuausgabe von 2015 hat der Schriftsteller Uwe Timm darauf aufmerksam gemacht, dass es sich dabei um eine Montage zweier Einzelbilder handelt: „daran zu erkennen, wie die linke über Schurzens Schulter gelegte Hand Kinkels anatomisch fragwürdig aus dem Nichts kommt“. Timm sieht darin „eine vom Lithografen montierte Allegorie der Brüderlichkeit“.

 

 

Porträt von Schurz und Kinkel, kurz nach der Befreiung 1850

Gottfried Kinkel und Carl Schurz, kurz nach der Befreiung 1850

Digitalisat aus dem Greven Archiv Digital, Carl Schurz Archiv CSK_2358

1951 überredete Kinkel Schurz, aus Paris nach London zu kommen, wo er sich mit seiner Familie niedergelassen hatte. Für Schurz wurde das Kinkelsche Heim erneut zu einem zentralen Bezugspunkt: „Das Haus war sehr klein und äußerst bescheiden eingerichtet. Aber in diesem Hause wohnte das Glück. Kinkel hatte die ganze heitere Elastizität seines Wesens wiedergewonnen“, schreibt er in seinen Memoiren. „Die Dankbarkeit Kinkels und seiner Frau war so aufrichtig und unermüdlich, daß sie mich oft in Verlegenheit setzte.“

 

 

„Ich bin in Spandau gewesen, und habe mehrere der alten Freunde wieder gesehen. Wir hatten einige schöne Stunden. Es geht allen recht gut.“

 

Carl Schurz, Brief an Gottfried Kinkel, 24. Februar 1868

 

 

Nach seiner Auswanderung in die USA schrieb Carl Schurz regelmäßig an Gottfried Kinkel und hielt ihn über private und politische Entwicklungen auf dem Laufenden. Bei seinen Europareisen machte er regelmäßig in London Station, und als er erstmals wieder Deutschland besuchte, berichtete er dem Freund, wie es den Männern ging, die seine Befreiung unterstützt hatten. 

 

Gottfried Kinkel verließ London 1866 und übernahm in Zürich eine Professur für Kunst- und Literaturgeschichte. Als er dort 1882 starb, schrieb Carl Schurz in der Evening Post einen bewegenden Nachruf auf seinen Freund. „He was an orator of wonderful fertility of imagination and power of expression”, heißt es darin über Kinkel als Redner. „He preached advanced democratic ideas, and his political programme fairly represented the romantic indefiniteness of the whole revolutionary movement.”

Johanna Kinkel (1810–1858)Johanna Kinkel (1810–1858)

„Auch sie besaß den munteren rheinischen Humor, der allen Dingen gern ihre scherzhafte Seite abgewinnt und unter allen Umständen das Genießbare des Lebens hervor sucht.“

 

Carl Schurz über Johanna Kinkel

Gemälde der Schriftstellerin und Komponistin Johanna Kinkel

Gemälde der Schriftstellerin und Komponistin Johanna Kinkel

via Wikimedia Commons

„Sie hatte eine ungemein gründliche musikalische Bildung genossen und spielte das Klavier mit Meisterschaft“, schrieb Carl Schurz in seinen Lebenserinnerungen über Johanna Kinkel. „Ich habe Beethovensche und Chopinsche Kompositionen selten so vollendet wiedergeben hören wie von ihr.“ Er lernte die Frau seines Professors Gottfried Kinkel als Student kennen und war von ihr tief beeindruckt. 

 

Die Konzertpianistin, Komponistin und Schriftstellerin beteiligte sich rege an den revolutionären Aktivitäten in Bonn. Sie komponierte im Dezember 1848 ein „Demokratenlied“, schrieb Artikel für die Bonner Zeitung und war ab 1849 Chefredakteurin des Blatts, das inzwischen Neue Bonner Zeitung hieß. Als Gottfried Kinkel 1849 von den Preußen in Baden gefangen genommen und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, versorgte sie weiterhin ihre vier Kinder in Bonn.

Johanna Kinkel, Demokratenlied

Johanna Kinkel, Demokratenlied

via Wikipedia

Johanna Kinkel war der Überzeugung, dass es möglich sein müsse, ihren Mann zu befreien und bat den im Schweizer Exil lebenden Schurz im Februar 1850, sich dem „Befreiungswerk“ zu widmen. Es folgten zahlreiche konspirative Aktivitäten der beiden: Schurz schrieb ihr Briefe mit „Zaubertinte“ und traf sie Anfang August 1850 heimlich im Rheinland.

 

Die Komponistin hatte inzwischen nicht nur viel Geld im Freundeskreis gesammelt, um die Gefängniswärter zu bestechen. Es gelang ihr zudem, ihren Mann unauffällig über die geplante Aktion zu informieren. „Sie habe ihm über ihre musikalischen Studien geschrieben und in ihren Briefen spielten lange Auseinandersetzungen über die ‚Fuge‘ eine große Rolle“, erzählt Schurz in seinen Memoiren. Gottfried Kinkel habe das Wortspiel verstanden – das lateinische Fuga heißt Flucht – und zurückgeschrieben, dass er „begierig sei, über dieses Thema mehr zu hören“.

 

Auch nach der geglückten Befreiung waren Schurz und Johanna Kinkel eng verbunden – durch ihr gemeinsames Interesse an Musik. Sie war „eine der höchstgebildeten und vollendetsten Musikkennerinnen, die ich gekannt habe“, stellte er rückblickend fest. Im Exil in London hielt Johanna Kinkel nicht nur die Familie mit Musikunterricht über Wasser, sie gab auch Schurz Klavierunterricht: „Meine Lehrerin ließ mich Beethoven, Schubert und Schumann genießen und führte mich durch die Zaubergärten der Chopinschen Musik. Aber noch mehr als das. Sie lehrte mich den Generalbaß und eröffnete mir damit eine Kenntnis, die mir in der Folge zur Quelle köstlichen Genusses geworden ist.“

 

 

„Ich hoffe (…), daß Sie ganz kühl bleiben und nicht Ihren kritischen Sinn verlieren werden, wenn Sie ihn hören.“

 

Johanna Kinkel zu Carl Schurz vor einem Wagner-Konzert

 

 

Allein beim Thema Richard Wagner schieden sich die Geister der beiden. Als Carl Schurz auf einer Europareise 1855 in London war, lud Johanna Kinkel ihn in ein Konzert ein, bei dem Wagner eigene Werke dirigierte. Die Sängerin Jenny Lind sollte die Arie der „Agathe“ aus dem „Freischütz“ singen, außerdem war die Ouvertüre zum „Tannhäuser“ angesagt.

 

Vor dem Konzert waren beide noch ganz einer Meinung. Schurz hatte Wagner im Schweizer Exil getroffen und den Eindruck gewonnen, „daß er eine äußerst anmaßende, hochmütige, dogmatische und abstoßende Persönlichkeit sei, von der man sich am besten fernhalte“. Kinkel wiederum „verabscheute Wagner, da sie glaubte, daß er in verwegener, fast verbrecherischer Weise das musikalische Gewissen demoralisierte“. 

 

Doch bei der „Tannhäuser“-Ouvertüre war es um Schurz geschehen: „Ich war ganz überwältigt von der schwellenden, rollenden, wogenden Harmonie, von der Brandung der Leidenschaft, die über Felsen stürzte und zerschellte (...).“ Nach dem Konzert sah Johanna Kinkel ihn traurig an und seufzte: „Ich sehe, ich sehe, Sie sind jetzt auch gefesselt. Und so geht es. Was soll noch aus unserer Kunst werden?“

Porträt von Johanna Kinkel: "Johanna", Reprofotografie einer Zeichnung

Porträt von Johanna Kinkel: "Johanna", Reprofotografie einer Zeichnung

Digitalisat aus dem Greven Archiv Digital, Carl Schurz Archiv CSK_2377

Drei Jahre später starb die Komponistin unter ungeklärten Umständen. Schurz erfuhr die Todesnachricht in den USA aus der Zeitung. Am 26. Dezember 1858 schrieb er an Gottfried Kinkel. „Wir saßen auf meinem Zimmer mit Anneke und seiner Frau zusammen, als ein Freund mich herausrufen ließ und mir ein Blatt gab, das die ganze Nachricht enthielt. Kein Schlag hätte uns so unerwartet treffen und keiner alle anderen Gedanken so plötzlich zum Stocken bringen können.“

Mathilde Franziska Anneke (1817 –1884)Mathilde Franziska Anneke (1817 –1884)

Wie Johanna Kinkel so zählte auch Mathilde Franziska Anneke zu den Protagonistinnen der 1848er-Revolution im Rheinland. Die Journalistin war bereits zuvor bekannt geworden durch ihre Schrift Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen, in der sie Gleichberechtigung für Frauen gefordert hatte. Und im Haus der Annekes in Köln traf sich „ein Kränzchen von lauter Communisten“, wie sie es nannte.

Mathilde Franziska Anneke (1817–1884)

Mathilde Franziska Anneke, um 1848

via Wikimedia Commons

Mathilde Franziska Anneke ließ sich von der Verhaftung ihres Mannes Fritz Anneke im Sommer 1848 nicht beeindrucken und gründete im September die Neue Kölnische Zeitung, die aber schon bald verboten wurde. Auch die Umbenennung des revolutionären Blatts in Frauen-Zeitung half nichts. Bereits deren dritte Ausgabe wurde von den Kölner Behörden beschlagnahmt. 

 

Carl Schurz lernte Mathilde Franziska Anneke 1849 kennen, als sich die rheinländischen Revolutionäre den Aufständischen in der Pfalz und in Baden anschlossen. 

Pfälzische Revolutionssoldaten, darunter Mathilde Franziska und Fritz Anneke, 1849

Pfälzische Revolutionssoldaten, darunter Mathilde Franziska und Fritz Anneke, 1849

via Wikimedia Commons

Schurz schildert sie in seinen Erinnerungen als junge Frau „von auffallender Schönheit, vielem Geist, großer Herzensgüte, poetisch feurigem Patriotismus und ausgezeichneten Charaktereigenschaften“. Zudem konnte Mathilde Franziska Anneke ausgezeichnet reiten und agierte bei den Kämpfen in Baden als Meldereiterin. 

 

 

„Ich weiß nicht, ob ich Dir mal geschrieben habe, daß wir unsern Adjutanten (Carl Schurz) an dem letzten denkwürdigen Tage in Rastatt nicht mehr herausbekommen konnten (…). Ihm ist es nun nach der Übergabe der Festung noch gelungen, (…) aus dem Höllennest herauszukommen.“

 

Mathilde Franziska Anneke an Franziska Hammacher-Rollmann, 16. August 1849

 

 

Die nächste Begegnung fand bereits im Exil statt: am 11. August 1849 in Zürich, wohin die Annekes und Schurz nach der Niederlage in Rastatt geflüchtet waren. Doch während Schurz zunächst noch in Europa blieb, wanderte das Ehepaar Anneke schon im Herbst 1849 in die USA aus und ließ sich in Milwaukee nieder.

Portrait of Mathilde Franziska Anneke from 1874-75

Mathilde Franziska Anneke, um 1875

via Wikimedia Commons

Dort publizierte Mathilde Franziska Anneke erneut ihre feministische Frauen-Zeitung, gründete eine Mädchenschule namens „Töchter-Institut“ und engagierte sich gegen die Sklaverei und für das Frauenwahlrecht. Sie starb 1884 in Milwaukee. Seit 1992 schmückt eine Figur der feministischen Vorkämpferin den Kölner Ratsturm.

Rathausturm Köln mit der Figur der Mathilde Franziska Anneke Details zu der Statue: Bildhauer der Anneke-Statue: Katharina Hochhaus Details zu der Konsole: Thema der Konsole unter der Anneke-Statue: „Raufbolde“. Herbert Rausch

Figur der Mathilde Franziska Anneke am Kölner Ratsturm

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Fritz Anneke (1818–1872)Fritz Anneke (1818–1872)

Im Gegensatz zu vielen anderen rheinischen Revolutionären hatte Fritz Anneke militärische Erfahrung. Er war Artillerieleutnant in der preußischen Armee, bevor man ihn unter anderem wegen „Umgangs mit Kommunisten“ 1846 unehrenhaft entlassen hatte. Im März 1848 führte er in Köln zusammen mit Andreas Gottschalk eine große Demonstration an und wurde daraufhin kurzzeitig verhaftet. Im Sommer 1848 folgte die nächste Inhaftierung: Anneke, inzwischen erster Sekretär des Kölner Arbeitervereins, wurde wegen Hochverrats angeklagt, im Dezember allerdings freigesprochen.

 

Beim Marsch zum Zeughaus in Siegburg im Mai 1849 war Fritz Anneke „militärisches Haupt“, wie Schurz schreibt. Nachdem das Unternehmen kläglich gescheitert war, begaben sich Schurz, Kinkel und Anneke in die Pfalz. Anneke wurde in Kaiserslautern Chef der pfälzischen Artillerie, besorgte Schurz ein Leutnantspatent und schickte ihn in eine Reitbahn, um reiten zu lernen. Im Badischen Krieg war Schurz als Adjutant stets an Annekes Seite, bis sie sich vor Rastatt verloren und erst im August 1849 in der Schweiz wiederbegegneten.

Fritz Anneke (1818-1872), deutscher Revolutionär, preußischer und US-amerikanischer Offizier

Fritz Anneke (1818-1872)

via Wikimedia Commons

In den USA trafen sich Schurz und Anneke erneut, hatten dort aber offenbar kein enges Verhältnis mehr. Im Gegenteil: Schurz‘ ersten großen Karriereschritt, seine Ernennung zum US-Botschafter in Spanien 1861, kommentierte Fritz Anneke in einem Brief an Gottfried Kinkel mit den Worten: „Don Carlos Schurzio hat sich in den Vereinigten Staaten vollständig tot gemacht.“ Anneke bescheinigte seinem einstigen Adjutanten „grenzenlose Selbstsucht“ und „rücksichtsloses Jagen nach Geld und Ehren“.

 

Es dürfte den ehemaligen Berufssoldaten auch gekränkt haben, dass Schurz 1863 zum General aufstieg, während er nur als Oberst am amerikanischen Bürgerkrieg teilnahm.

Franz Sigel (1824 –1902)Franz Sigel (1824 –1902)

„Der Schlachtruf ‚fighting mit Sigel‘ hatte seinem Namen Ansehen und Beliebtheit verschafft.“

 

Carl Schurz über Franz Sigel

 

 

Auch Franz Sigel wurde im Verlauf des Bürgerkriegs zum General befördert. Der einstige Berufssoldat hatte zeitweise die pfälzisch-badische Revolutionsarmee befehligt, war 1852 in die USA ausgewandert und hatte sich in St. Louis niedergelassen. Schurz kannte ihn gut, denn Franz Sigel war im Bürgerkrieg 1862 zunächst sein unmittelbarer Vorgesetzter: „In verschiedenen Schlachten (…) hatte er sich durch persönliche Tapferkeit und durch geschickte Führung der Truppen ausgezeichnet, und der Schlachtruf „fighting mit Sigel“ hatte seinem Namen Ansehen und Beliebtheit verschafft“, so Schurz in seinen Memoiren.

I'm going to fight mit Sigel

Lied „I am going to fight mit Sigel!“

Library of Congress, Music Division

Der Schlachtruf wurde sogar vertont. Das im Bürgerkrieg populäre Lied zeugt nicht nur von der Beliebtheit Sigels, sondern ist mit seiner Mischung aus Englisch und Deutsch auch ein Ausdruck dessen, dass in der Nordstaatenarmee viele deutsch-amerikanische Freiwillige kämpften. 

 

Schurz bedauerte zwar, dass Sigel jener „liebenswürdige Humor“ fehlte, „der feindselige Stimmungen entwaffnet und gute Kameradschaft begünstigt“. Auch sei seine Miene „zurückhaltend, ja streng und abstoßend gewesen“. Entschuldigend fügte er sogleich hinzu: „Er konnte aber nichts für sein Wesen.“

Franz Sigel, c. 1861-1865.

Franz Sigel als General im Bürgerkrieg

via Wikimedia Commons

Nach dem Krieg gab Sigel mehrere Zeitungen heraus und arbeitete in verschiedenen Behörden. Er starb am 21. August 1902 in New York. Bei der Trauerfeier hielt Carl Schurz eine Rede, in der er seinen „Freund und Waffenbruder in zwei Kriegen“ würdigte. Laut dem Schurz-Biografen Rudolf Geiger musste Schurz seine Ansprache allerdings abbrechen, weil ihn die Erinnerungen überwältigten. Heute erinnert in New York ein Denkmal an Franz Sigel – es steht nicht weit entfernt von dem Monument, das Carl Schurz ehrt.

Looking east and up at statue of Franz Sigel on a cloudy afternoon on Riverside Drive, Manhattan. See also File:Franz Sigel 106 RSD jeh.JPG

Denkmal für Franz Sigel, New York, Riverside Drive

Jim.henderson, via Wikimedia Commons
Friedrich Hecker (1811–1881)Friedrich Hecker (1811–1881)

„In Deutschland war ich ihm nie persönlich begegnet, hatte aber von seinen glänzenden Gaben und seiner feurigen, impulsiven Natur gehört.“

 

Carl Schurz über Friedrich Hecker

 

 

Wie Franz Sigel war auch Friedrich Hecker ein wichtiger Protagonist der badischen Revolution. Schurz war ihm in Deutschland nie begegnet, kannte aber natürlich dessen Namen. In seinen Memoiren schreibt er über Hecker: „Er hatte in einem frühen Stadium der revolutionären Bewegung von 1848 eine Erhebung in Süddeutschland angeregt, welche obgleich sie sehr schnell durch militärische Gewalt unterdrückt wurde, ihn zum Helden von Volksliedern gemacht hatte. Sein Bild, das ihn in etwas phantastischer Kleidung darstellte, war über ganz Deutschland verbreitet, und als Verbannter war er eine sagenhafte Figur geworden.“

Hecker uniform

Friedrich Hecker in Uniform

via Wikimedia Commons

Hecker emigrierte bereits im Herbst 1848 in die USA, erwarb in Belleville, Illinois, gegenüber von St. Louis, eine Farm und betrieb dort Viehzucht und Weinbau. Als Schurz ihn dort 1854 besuchte, litt der Held der badischen Revolution allerdings unter „Wechselfieber“ (möglicherweise Malaria) und war ziemlich derangiert. Er saß „auf einem niedrigen Ruhebette von einem Büffelfell bedeckt“ und trug „ein grauwollenes Hemd, lose, abgetragene Beinkleider und ein paar alte Teppichpantoffeln“.

Friedrich Hecker's Farm in Illinois

Friedrich Heckers Farm in Illinois

via Wikimedia Commons

In seinen Lebenserinnerungen schildert Schurz diese erste Begegnung sehr anschaulich: „Ich hatte immer gehört, dass Hecker ein schöner Mann sei. (…) Aber jetzt sah sein Gesicht eingefallen, blaß und müde aus; sein einst so elastischer Körperbau war wie gebrochen und als ob er sich kaum noch aufrechthalten könne. ‚Ach‘, sagte er, ‚Sie sehen, was aus einem alten Revolutionär werden kann, wenn er von Chininpillen leben muss.‘“

 

 

„Mit der schönen Begeisterung seiner edlen Natur begrüßte er die Anti-Sklaverei-Bewegung.“

 

Carl Schurz über Friedrich Hecker

 

 

Beide waren sich darin einig, dass der Kampf gegen die Sklaverei ein wichtiges neues Betätigungsfeld für die deutschen Revolutionäre sei. Und wie viele „Forty-Eigthers“ beteiligte sich auch Hecker später aufseiten der Nordstaaten am Bürgerkrieg.

Colonel Frederick Hecker, Twenty-fourth Illinois, Camp Nevin, Kentucky Abstract/medium: 1 drawing : graphite, pen and ink, watercolor ; sheet 30 x 22 cm.

Friedrich Hecker im Bürgerkrieg, 1861

via Wikimedia Commons

Schurz und Hecker trafen sich in den folgenden Jahren noch häufig und tauschten sich auch in Briefen über politische Fragen aus. Über einen Besuch Heckers in der Redaktion der Westlichen Post in St. Louis, berichtete Schurz in einem Brief an Margarethe vom 17. September 1867: „Er ist sehr munter, hielt uns stundenlang im Lachen. Plötzlich verschwand er (…) und am nächsten Tage hörten wir, daß er sich wieder schleunigst auf seine Farm zurückgezogen hatte. Er ist noch immer der alte, erstaunt Einen zuweilen mit seinem reichen Wissen und scharfen Geist und ergeht sich dann wieder in den wildesten und tollsten Geschichten.“

Bild aus Seite 265 in "Die Gartenlaube". Image from page 265 of journal Die Gartenlaube, 1881. Deutsch: Bildunterschrift: „Friedrich Hecker. Nach einer photogr. Aufnahme gelegentlich seines letzten Aufenthalt in Deutschland“

Friedrich Hecker, 1871. In: Die Gartenlaube, 1881. Bildunterschrift: „Friedrich Hecker. Nach einer photogr. Aufnahme gelegentlich seines letzten Aufenthalt in Deutschland“

via Wikimedia Commons

Nachdem Friedrich Hecker am 24. März 1881 gestorben war, sammelte Carl Schurz im New Yorker Freundeskreis Geld, um in St. Louis ein Denkmal für den Weggefährten zu errichten.